Seit Angriff auf Israel lebt Jüdische Gemeinde Offenbach in Angst – Israel-Flagge vor Rathaus gestohlen
Und so erfährt der Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Offenbach von der Attacke erst, als ihm andere davon erzählen. Seine erste Reaktion: „Und das alles nur, weil wir Juden sind.“
Israel-Flagge am Offenbacher Rathaus gestohlen
Jetzt steht Gurewitz in der Synagoge des Gemeindehauses an der Kaiserstraße, beim Gedenkgottesdienst für die Opfer des Terrors. Kaum schlafen konnte er diese Woche, erzählt er später. Rund 50 Menschen sind zusammengekommen, um innezuhalten. Gurewitz sagt: „Trotz Drohungen haben wir beschlossen, uns zu treffen. Im Angesicht des Bösen werden wir nicht klein beigeben.“ Dennoch ist da eine Sorge, eine Befürchtung, die ihn bedrückt: „Das Böse wird nicht bei Israel aufhören. Es wird überall weitergehen.“
Auch Oberbürgermeister Felix Schwenke ist zu Gast. Zu den Mitgliedern der Gemeinde sagt er: „Wie sich die Situation im Moment anfühlt, kann niemand nachvollziehen, der nicht in Ihrer Haut steckt.“ Die Stadt will Solidarität zeigen, diese Woche hat sie eine blau-weiße Israelflagge vor dem Rathaus gehisst. Doch die flatterte nur für kurze Zeit an der Berliner Straße. Mittlerweile hängt sie nicht mehr, teilt der OB den Anwesenden mit – Unbekannte haben sie abgehängt und gestohlen.
Als dann Kerzen angezündet werden für die Toten, auch für die israelischen Soldaten, die im Einsatz sind, muss eine Frau weinen. Vor dem Gemeindehaus erzählt ein Mann, er habe die ganze Woche getrunken. „Heute habe ich gemerkt, ich muss aufhören, meine Hände haben schon gezittert.“ Eigentlich wollte er am Montag nach Israel fliegen, ein Impuls. „Ich habe den Drang, aktiv zu sein, zu helfen, irgendwas zu machen.“ Seine Mutter habe ihn davon abgehalten, ihn überzeugt, bei seinen Kindern in Deutschland zu bleiben.
Wie Offenbachs Rabbiner Mendel Gurewitz Hoffnung spenden will
Vor dem Eingang zum Haus steht ein anderer junger Mann, der gerade noch in der Synagoge saß. Er ist Offenbacher, studiert in Frankfurt BWL, erzählt er. „Jeder hat irgendeinen Kontakt zum Terror in Israel. Wir haben einige Juden in der Gemeinde, die aus Russland und der Ukraine stammen. Für sie ist es der zweite Krieg in kurzer Zeit, der sie unmittelbar betrifft. Die Szenen, die sich letztes Wochenende im Gemeindehaus abgespielt haben, kann man sich nicht vorstellen. Man sieht, wie die Gesichter bleich werden.“
Seinen Namen nennen, sich öffentlich als Mitglied der Jüdischen Gemeinde outen, das möchte er nicht – nicht im Moment. „Wir sind stolz, jüdisch zu sein. Deswegen sind wir heute hier. Aber eine Angriffsfläche wollen wir trotzdem nicht bieten“, sagt er. Auf dem Weg zur Synagoge habe er überlegen müssen, ob er seine Kippa trägt: „Will ich als Jude erkannt werden?“
Die palästinensische Hamas hat am Tag des Gottesdienstes, dem Freitag, zu Gewalttaten an Juden in aller Welt aufgerufen. An der Kaiserstraße stehen zwei Polizisten mit Maschinenpistolen, ein ehrenamtlicher Sicherheitsdienst schützt die Menschen im Gemeindehaus. Trotzdem wollten viele Mitglieder lieber zu Hause bleiben – weil die Angst zu groß ist.
Rabbiner Mendel Gurewitz zeigt dafür Verständnis. In seiner Ansprache fragt er aber auch: „Was können wir heute tun?“ Ein Teil der Antwort: Versuchen, positiv zu bleiben, psychologisch stark. Dabei helfe – klar, da spreche dann doch der Rabbi, meint Gurewitz mit einem Lächeln – das Gebet. „Das bringt positive Energie.“ Und als die Menschen die Synagoge mit ihren Stimmen erfüllen, bleibt der Gedanke: Es ist vor allem ihr Zusammenhalt, der die Jüdische Gemeinde durch diese Zeit tragen wird.