Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Bad Nauheim: »Der Hass ist gefährlich«
»Wir fühlen uns in der Synagoge momentan sicher, aber das kann sich von heute auf morgen ändern, davor haben wir alle Angst.« Manfred de Vries, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Bad Nauheim, muss sich in diesen Wochen nach dem Überfall der Hamas auf Israel und angesichts antisemitischer Demonstrationen in Deutschland mit zwei Gefühlen auseinandersetzen: Angst vor den Gefahren, die in dieser Stimmung auch hierzulande lauern, und zugleich die Entschlossenheit, den eigenen Glauben weiter zu leben, zusammen mit all den anderen Menschen jüdischen Glaubens.
Dialog mit Muslimen vermisst
»Dieser Antisemitismus kann auch nach Bad Nauheim kommen«, sagt de Vries. Schon lange wird die Synagoge in Bad Nauheim von der Polizei bewacht, vor dem Gebäude sind, wie berichtet, Poller eingebaut worden. Über die weiteren Sicherheitsvorkehrungen spricht de Vries nicht - aus Sicherheitsgründen.
Es ist ein abgeschottetes Gemeindeleben, die Gläubigen würden es sich anders wünschen. Doch die Zeiten sind angespannt. In den ersten zwei Wochen nach dem Angriff der Hamas sei klar gewesen: Israel wurde überfallen. Mittlerweile gerate aber auch das Land in die Kritik, beklagt de Vries und verweist in diesem Zusammenhang etwa auf die heftig umstrittene Aussage des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, António Guterres, die Angriffe der Hamas hätten »nicht im luftleeren Raum« stattgefunden. »Ich fühle mich bedroht, egal wo in Deutschland«, sagt de Vries. Von Kirche, Gesellschaft und Politik in der Wetterau spüre er die Solidarität, einen Dialog mit Muslimen gebe es leider nicht, das finde er schlimm, sagt der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde. »Alle sind Ebenbild Gottes.« Bei der Mahnwache am vergangenen Freitag habe ein Mann aus einem Auto heraus die Leute angeschrien. »Der Hass ist da, und der ist gefährlich«, sagt de Vries. Er wünscht sich, dass schon Kinder mit dem jüdischen Glauben vertraut gemacht würden. »Die Schulen müssen die Kinder wieder in die Synagoge bringen. Wir müssen Kindern erzählen, was passiert ist, erzählen, dass es sich nicht lohnt, Menschen wegen Religion zu hassen.«
Am 9. November wird der Opfer der Reichspogromnacht vor 85 Jahren gedacht. Was wird an diesem Gedenktag in Bad Nauheim anders sein als in den Jahren zuvor? »Nichts.«