15.10.2024

Die Mutmacherin: Ilana Katz erhält Bundesverdienstkreuz

Kassel

Für ihr Engagement erhielt Ilana Katz von der Jüdischen Gemeinde Kassel das Bundesverdienstkreuz. Bei der Feier in der Synagoge übte ein prominenter Redner Kritik an der Stadt Kassel.

Daniel Neumann weiß, wie unbequem das Leben von Ilana Katz sein kann. Der Vorsitzende des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden Hessen referierte am Donnerstag beim Neujahrsempfang der Jüdischen Gemeinde Kassel über den zunehmenden Antisemitismus. Über die Kasseler Vorsitzende Katz, die in der Synagoge das Bundesverdienstkreuz erhielt, sagte Neumann: „Es ist nicht bequem, auf Todeslisten der Nazis zu stehen. Es ist nicht bequem, angespuckt zu werden.“ Es sei anstrengend, das Büro des Oberbürgermeisters zu behelligen, damit Pro-Palästina-Demos nicht an der Synagoge vorbeilaufen. Und es sei nicht schön, den Zorn von Kunstliebhabern auf sich zu ziehen, wenn man auf antisemitische documenta-Kunst aufmerksam macht.

Ilana Katz macht all das trotzdem. Dafür erhielt sie das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, wie die Auszeichnung des Bundespräsidenten offiziell heißt. Am Ende der bewegenden zwei Stunden war die 62-Jährige gerührt und stellte nach dem vielen Lob vor knapp 200 Gästen verschmitzt fest: „Ich habe nicht gedacht, dass ich so gut bin.“

Katz kam 1999 aus Riga nach Deutschland, baute mit ihrem Mann in Kassel einen Pflegedienst auf und gründete 2015 das Sara-Nussbaum-Zentrum, das den interreligiösen Dialog fördert. Für Kassels Oberbürgermeister Sven Schoeller ist Katz auch deshalb eine „bedeutende Stimme in der Stadtgesellschaft“ sowie „Mutmacherin für andere“.

Wohl alle Besucher waren sich einig, dass es mehr Menschen wie Ilana Katz geben müsste. Referent Neumann würdigte nicht nur die Gastgeberin, sondern analysierte in seinem Vortrag, wie es um das jüdische Leben in Hessen bestellt ist. Da gibt es Licht und erst recht nach dem 7. Oktober 2023 viel Schatten.

Der 50-Jährige erinnerte daran, dass die 70 Mitglieder der Kasseler Gemeinde nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1130 Menschen aus dem Osten integrierten: „Wir haben geschafft, jüdisches Leben vor dem Aussterben zu bewahren.“ Heute zählt man 600 Mitglieder – ein Verdienst von Katz und ihrer im April gestorbenen Vorgängerin Esther Haß.

Neumann kritisierte in drastischen Worten die Entscheidung der Stadt Kassel

Neumann ist ein begnadeter Redner, der anschaulich erzählen kann, wie es ist, wenn man als Jude wieder Angst hat – nicht nur im Land der Shoah. Diese Angst könne einem auch der Wächterdienst nicht nehmen, den die Kasseler Zivilgesellschaft seit einem Jahr freitags an der Synagoge organisiert. Er berichtete von seiner 14-jährigen Tochter, der in der Schule der Hass ins Gesicht geschleudert werde: „Da steht niemand.“

Und Neumann kritisierte in drastischen Worten die Entscheidung der Stadt Kassel, am 7. Oktober keine Israel-Flagge vor dem Rathaus zu hissen. Sich dann „bürokratisch darauf zurückzuziehen“, dass es keinen Erlass der Landesregierung gegeben habe, sei „der Untertanengeist, der schon einmal herrschte und der mir Angst macht“. Oberbürgermeister Schoeller wollte die Kritik auch am Tag danach nicht kommentieren. Auf Anfrage teilte er mit, Ilana Katz solle im Mittelpunkt stehen.

Die Mutter zweier Kinder, die in Vellmar lebt, gestand am Donnerstag, dass sie eigentlich vorgehabt habe, künftig „ein oder zwei Gänge zurückzuschalten“. Aber dann habe sie von der Ehrung erfahren: „Jetzt aufzuhören, das wäre doch undankbar.“ Landrat Andreas Siebert wird das gern gehört haben. Der SPD-Politiker überreichte Katz das Bundesverdienstkreuz und sagte: „Bleiben Sie weiter so unerschütterlich.“

Der Abend wird auch Miki Lazar gut in Erinnerung bleiben. Das Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde stellte fest: „So voll habe ich die Synagoge noch nie gesehen. Es ist ein Zeichen, dass wir viele Freunde haben. Diese Verbindung macht uns stark.“

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