22.10.2024

Zeit für den Rücktritt, Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoguz!

Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoguz hat sich für ihr hohes Amt ein für alle Mal als untauglich erwiesen. Ein Kommentar von Daniel Neumann, Präsidiumsmitglied des Zentralrats

Die asozialen Medien sind schon eine tückische Angelegenheit. Sie treiben uns in Echokammern, erschaffen Scheinriesen und emotionalisieren in Hochgeschwindigkeit. Sie verkürzen die Wirklichkeit, zerren am Geltungsbedürfnis und verleiten dazu, vorschnell zu handeln. Zu Liken, zu kommentieren oder weiterzuleiten. Posts, Anmerkungen oder Bilder. Und nicht selten stellen sie damit den Spaten bereit, mit dem man sich sein eigenes Grab schaufelt. So wie dies unsere Bundestagsvizepräsidentin gerade getan hat.

Denn die SPD-Bundestagsabgeordnete Aydan Özoguz hat einmal mehr gezeigt, was geschieht, wenn die Impulskontrolle versagt. Wenn die Maske verrutscht. Und man mit einem Klick in den sozialen Medien mehr preisgibt, als einem das vielleicht lieb ist.

Özoguz, die als Bundestagsvizepräsidentin eines der höchsten Ämter in unserem Land bekleidet, hat in ihrer Instagram-Story jüngst einen heftigen, israelfeindlichen Beitrag geteilt. Dieser zeigt ein Feuerinferno - mutmaßlich nach einem israelischen Militärschlag -, das in großen Lettern mit »This is Zionism« überschrieben ist.

Irrlichternde, radikal-linke, antiisraelische Truppe

Übernommen hat Özoguz ihn von dem Verein »Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost«. Einer irrlichternden, radikal-linken, antiisraelischen Truppe, die ihr Mutterschiff in den USA weiß und immer wieder mit heftiger Dämonisierung und schamloser Delegitimierung Israels auffällt.

Ob dieser Beitrag deswegen eine kurze Halbwertszeit hatte, weil er nach einem Tag automatisch aus ihrer Instagram-Story verschwunden ist, oder ob sie ihn eilig wieder gelöscht hat, weil ihr dämmerte, was sie sich mit dem Beitrag eingebrockt hat, spielt keine Rolle. Denn so oder so war es schon zu spät, und die ersten Abgeordneten und Medien sind auf das verunglimpfende Hass-Posting aufmerksam geworden.

»This is Zionism« über dem Flammeninferno - die Aussage ist unzweideutig: So sind sie, die Zionisten. Bomben, zerstören und morden, was das Zeug hält. Und alles im Namen einer menschenverachtenden Ideologie.

Dass es sich bei dem Zionismus stattdessen um die politische Bewegung zur Wahrung oder Verteidigung des Selbstbestimmungsrechts des jüdischen Volkes in seiner uralten Heimat, also dem heutigen Israel handelt: geschenkt. Der Beitrag und seine Botschaft sind allzu klar. Und genau deshalb wurde er auch geteilt.

Nun muss man Israel nicht mögen. Und man kann Israels militärisches Vorgehen in Gaza und im Libanon verurteilen. Und man kann Antizionist sein. Und damit auch Antisemit. All das ist möglich. Und noch vieles mehr. Aber wenn man Bundestagsvizepräsidentin ist und damit Stellvertreterin des Bundestagspräsidenten, der wiederum das Parlament repräsentiert und nach dem Bundespräsidenten das zweithöchste Amt im Staat ausübt, dann, ja dann ist die Weiterverbreitung eines solchen Beitrags absolut inakzeptabel.

Denn er ist verunglimpfend, pauschalisierend und dämonisierend. Und er schürt Hass nicht nur auf Israel, sondern auch auf zahllose Juden in Deutschland, die sich als Zionisten verstehen oder sich den Idealen und dem Selbstverständnis des Zionismus verschrieben haben. So wie ich es bin und tue. Aus tiefer Überzeugung und von ganzem Herzen.

Nun ist es nicht das erste Mal, dass die Bundestagsvizepräsidentin mit sozialmedialen Einlassungen eine nicht unerhebliche Distanz zum jüdischen Staat erkennen lässt. Doch diesmal ist sie einen Schritt zu weit gegangen. Und diesmal ist die Grube, die sie sich mit ihrem antizionistischen und antiisraelischen Hass-Posting selbst gegraben hat, zu tief.

Halbgare Entschuldigung

Die halbgare »Entschuldigung«, die sie in den sozialen Medien teilte und die offenbar eine Reaktion auf den steigenden politischen wie medialen Druck war, ändert daran nichts.

Eigentlich macht sie alles nur noch schlimmer. Denn darin entschuldigt sie sich dafür, »dass durch den geteilten Beitrag Gefühle von Mitbürgerinnen und Mitbürgern verletzt wurden, die für ein friedliches Zusammenleben einstehen.»

Im Ernst? Nein: Hier geht es nicht um Gefühle. Und es geht auch nicht nur um Mitbürger. Es geht darum, dass sie mit ihrem Beitrag in ein dröhnendes, antizionistisches, antiisraelisches und antisemitisches Horn geblasen hat. Und es geht darum, dass sie in ihrer hervorgehobenen Position einen prallvollen Kanister Öl in das lodernde Feuer aus Hass und Gewalt gegossen hat, das sich seit dem 7. Oktober 2023 durch unsere Gesellschaften frisst und Juden ebenso gefährdet wie Israelis oder Zionisten.

Dass sich der inzwischen eilig einberufene Ältestenrat des Bundestages durch eine »Entschuldigung« von Özoguz besänftigen ließ, kann dreierlei bedeuten: Entweder haben sie die Dimension verkannt, die solch ein dämonisierender Beitrag hat, der nicht von einem Provinzpolitiker geteilt wurde, sondern von der Bundestagsvizepräsidentin. Oder sie unterschätzen das Maß des alltäglichen Hasses, dem Juden oder Zionisten oder Israelis oder alle drei zusammen im bundesdeutschen Alltag ausgesetzt sind. Oder ihnen ist in der Stunde der Bewährung der politische Persilschein für eine Kollegin wichtiger als eine klare Haltung im Kampf gegen Israel- und Judenhass.

Um ehrlich zu sein: Keiner dieser Gründe ist wirklich beruhigend.

Und noch beunruhigender ist es, mit anzusehen, wie nun auch noch manch hochrangiger SPD-Politiker zur Verteidigung der Parteikollegin eilt. War doch alles nicht so schlimm. Sie hat sich doch entschuldigt. Hat sogar mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden gesprochen. Das erinnert an Hubert Aiwangers Gang ins jüdische Canossa. Als könne man dort die Beichte ablegen und Vergebung im Namen der deutschen Judenschaft erhalten.

Nein. So funktioniert das nicht. Denn mit ihrem Beitrag hat die Bundestagsvizepräsidentin mehr Schaden angerichtet, als die Gefühle einiger Juden zu verletzen. Sie schadet einem der engsten Partner, dessen Sicherheit doch eigentlich deutsche Staatsräson sein sollte. Sie schadet dem friedlichen Zusammenleben in Deutschland, indem sie Israel- und Judenhass befördert. Und sie schadet vor allen Dingen einem der höchsten Ämter dieses Staates, das Würde, Unparteilichkeit, Integrität verlangt.

Deshalb steht eines fest: Frau Özoguz hat sich für das hohe Amt, das sie bekleidet, als untauglich erwiesen. Und deshalb gibt es nur eine logische Konsequenz: einen sofortigen Rücktritt!

Der Autor ist Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Hessen und Präsidiumsmitglied des Zentralrats der Juden in Deutschland.

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2. Kislev 5785 - 03. Dezember 2024