22.06.2018

Jung und jüdisch: Alexander Stoler (27) aus Darmstadt

Darmstadt

Meine Familie stammt aus der südwestlichen Bukowina, heute gehört die Region zur Ukraine. Als Kind ging ich in den jüdischen Kindergarten in Czernowitz, der Hauptstadt der Bukowina. Vor 21 Jahren sind wir nach Deutschland gekommen. Antisemitismus? Ist mir schon früh begegnet.

Ich habe jahrelang bei TuS Makkabi Frankfurt Fußball gespielt. In meiner Mannschaft waren Juden, Christen, Muslime, für uns war es unerheblich, wer welcher Religion zugehörte. Doch bei jedem zweiten Auswärtsspiel prasselten antisemitische Beschimpfungen auf uns ein. ,Scheiß-Jude‘ klang da noch harmlos, es gab auch mal einen Hitlergruß zu sehen. Antijüdische Ressentiments habe ich sogar in der Schule erlebt. Zum Beispiel, als eine Lehrerin in meinem Abitur-Leistungskurs meinte, Bemerkungen über „meinen Abraham“ machen zu müssen. Damals ging ich noch ab und an in einem T-Shirt mit Davidstern aus dem Haus. Das würde ich heute nicht mehr wagen. Man weiß ja nie, wer einem auf der Straße begegnet.

Der Antisemitismus ist in Deutschland präsent, deshalb ist die Debatte darüber notwendig. Es geht darum, Vorurteile abzubauen. Kaum einer kennt einen Juden, aber jeder hat eine Meinung dazu. Um das Judentum für Nichtjuden transparenter zu machen, veranstalten wir, die Jüdische Gemeinde Darmstadt, gemeinsam mit der Stadt Darmstadt in der zweiten Jahreshälfte die „Jüdischen Kulturwochen 2018“. Musik, Tanz, Literatur und Film sollen allen Darmstädtern zeigen, was das Judentum heute so alles zu bieten hat. Ich selbst verstehe mich nicht als ‚religiös‘, sondern als ,traditionell‘. Es ist mir nicht besonders wichtig, ob das Essen koscher ist oder nicht, aber an zentrale Bräuche und Riten halte ich mich: So gehe ich an den Feiertagen in die Synagoge, egal, wo ich gerade bin – ob zuhause oder unterwegs. Und an Yom Kippur, unserem höchsten Feiertag, faste ich, selbst auf einer Klassenfahrt nach London habe ich mich daran gehalten. Ich bin in eine jüdische Familie hineingeboren, das hat mich geprägt, mehr noch: Jüdischsein ist für mich eine Verpflichtung. Mein Großvater hat seinen Vater und seine Geschwister im Holocaust verloren. Dass er, dass meine Familie überlebt hat, trage ich als Baustein in mir. Es ist meine Aufgabe, ihr Andenken zu verteidigen und die Erinnerung an ihr Schicksal wachzuhalten. Das Geschehene darf sich niemals mehr wiederholen, dafür müssen wir alle zusammen in Deutschland sorgen.“

Heute ist der

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