14.10.2021

Gegen Vorurteile und Hass: Die Jüdische Gemeinde Hanau kreiert das Internetportal „Judentum digital. Das Land Hessen fördert das wohl einmalige Projekt.

Hanau

Mit dem Internetportal „Judentum digital“ will die jüdische Gemeinde Hanau die „Tür in das große Unbekannte aufmachen“, sagte Geschäftsführer Oliver Dainow bei Start der Seite dieser Tage. Die Besucher werden in einem virtuellen Rundgang durch das Gemeindehaus und der sich darin befindlichen Synagoge geführt, Videos informieren zudem über das Judentum.

Das Hessische Informations- und Kompetenzzentrum gegen Extremismus (HKE) fördert das wohl landesweit einmalige Projekt finanziell als Präventionsarbeit gegen Antisemitismus. Jüdisches Leben sei immer noch gefährdet, das habe nicht zuletzt der Fall in Hagen gezeigt, wo dieser Tage ein 16-Jähriger wegen eines mutmaßlich geplanten Angriffs auf eine Synagoge festgenommen worden ist, so Dainow.

Die jüdische Gemeinde Hanau hat zwar einen hohen Zaun um ihr Gelände und die Polizei hat es stets im Blick, aber Abgrenzen von der Stadtgesellschaft will man sich nicht, so Dainow. Über Jahre öffnet sich die 2005 wiedergegründete Gemeinde mit Veranstaltungsreihen wie die 2019 initiierten Jüdischen Kulturwochen. Oft wird dabei eine Kooperation mit anderen Institutionen geknüpft etwa mit der Stadt Hanau oder der Wallonisch-Niederländischen Kirche. Es gibt zudem öffentliche Führungen und das „Lehrhaus“, um die jüdische Religion kennenzulernen.

Die Corona-Pandemie machte auch für die Hanauer Juden und Nicht-Juden die konkrete Begegnung zur virtuellen, daraus entstand 2020 das Projekt „Judentum digital“, so Dainow. Für die Umsetzung hat die Gemeinde die Regisseurin Isabel Gathof engagiert, die über Daniel Moritz Oppenheim, den renommierten jüdischen Maler des 19. Jahrhunderts, eine Dokumentation drehte.

Allerdings war „Judentum digital“ nicht mit gesagt-getan zu realisieren. Über den Ansprechpartner beim Polizeipräsidium Südosthessen sei der Kontakt zum HKE zustande gekommen. Dort stieß man auf offene Ohren. Jüdisches Leben digital zu vermitteln und damit besonders Jugendliche anzusprechen, habe begeistert, sagte Julia Emig vom Kompetenzzentrum, das dem Hessischen Innenministerium angeschlossen ist. Mit den 50 000 Euro für das Präventionsprojekt unterstreiche das HKE die außerordentliche Bedeutung des jüdischen Lebens. „Das HKE werde alles tun, damit jüdisches Leben geschützt und möglich ist“, so Emig.

Als einen „wichtigen Tag für Hessen und als ein Ausrufezeichen“, bewertete der Beauftragte der hessischen Landesregierung für das jüdische Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, Uwe Becker, den Start des Portals. „Judentum digital“ bilde eine Brücke, sich ein eigenes Bild über das Judentum zu machen, sich loszulösen von den gängigen Stereotypen, sagte er. In gleicher Art habe bereits der Maler Oppenheim etwa mit seinen Gemälden eine solche Brücke gebaut, die erstmals den jüdischen Alltag zeigten. Becker warnte davor, Antisemitismus als Erscheinung von politischen und religiösen Rändern zu betrachten. In der Mitte der Gesellschaft bestehe die Gewöhnung und Gleichgültigkeit gegenüber Judenhass. Dass an religiösen Festtagen die Polizei zum Schutze ausfahren müsse, werde ebenso als normal hingenommen wie die täglich tausendfachen virtuellen Morde an Juden in den sozialen Netzwerken oder die bewussten Falschinformationen, so Becker. Das erschaffene Portal trete daher auch digital denen entgegen, die ein anderes Weltbild über Juden vermitteln wollen.

Laut Oliver Dainow ist die gegenwärtige Fassung von „Judentum digital“ noch nicht die finale. Der virtuelle Rundgang ist mit „Action-Points“ versehen. Werden sie angeklickt, öffnet sich eine Texttafel oder es startet ein Video, in dem etwa Dainow mit einer Prise Humor den Feiertag Sukkot erklärt oder Religionslehrer Benni Pollak mit seiner donnernden Stimme über die Kippa erzählt.

Die Plattform ist auch deshalb noch nicht vollständig, weil einige Türen, etwa die zum „Lehrhaus“ noch geschlossen sind. Auch sollen weitere Angebote pädagogisch aufbereitet eingestellt werden. Hierzu ist eine Kooperation mit dem Hanauer Karl-Rehbein-Gymnasium geschlossen worden, das bei der Entwicklung von Lehrkonzepten - von der Einführung zu jüdischem Leben bis hin zu Projekttagen - als Modellschule fungieren will, heißt es. „Dass wir überhaupt so weit gekommen sind, ist schon ein Traum“, sagte Dainow. Immerhin sei die Gemeinde in Hanau die kleinste und jüngste jüdische Gemeinde in Hessen.

www.judentum-digital.de

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