24.01.2023

Mehr Sicherheit für die Synagoge in Gießen

Nach dem Anschlag von Halle sind die Sicherheitsmaßnahmen für jüdische Einrichtungen in Hessen verstärkt worden. Auch in der Stadt Gießen. An der Synagoge im Burg- graben ist nun auch von außen ersichtlich, dass sich die jüdische Gemeinde in der Innenstadt weiter abschotten muss.

Dow Aviv, Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, ist ein ruhiger und sachlicher Mensch. Ganz sicher ist er niemand, der zu Effekthascherei oder Übertreibungen neigt. Für gewöhnlich wählt er seine Worte mit Bedacht. Daher ist es besorgniserregend, wenn Aviv über die neuen Sicherheitsmaßnahmen an der Synagoge im Burggraben sagt: »Wir schützen uns nicht vor Geistern. Die Bedrohung ist real.«

Gerade ist an der Gießener Synagoge eine neue Schleuse errichtet worden. Wo früher ein halbhohes Tor stand, verhindert nun ein dichtes Lochblech, dass sich ungebetene Gäste mit einem Sprung über das Türchen Zutritt zum Areal verschaffen oder einen umfassenden Blick darauf werfen können.

Neue Schleuse mit kugelsicherer Tür

Der zweite Teil der Schleuse besteht neuerdings sogar aus einer kugelsicheren Glastür. Die Videoüberwachung wurde verstärkt. Im rückwärtigen Bereich der Synagoge soll die das Grundstück begrenzende Mauer deutlich erhöht werden. »Das ist alles in Arbeit«, sagt Aviv. Er bittet um Verständnis, dass er aus Sicherheitsgründen keine weiteren Details des neuen sechsseitigen Schutzkonzeptes nennen kann, das in Kooperation mit Experten des Landeskriminalamts erarbeiten worden ist. »Es gibt noch eine ganze Reihe von Maßnahmen, die ich aber in der Öffentlichkeit nicht preisgeben kann.«

Nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle im Oktober 2019 war auch in Gießen eine Diskussion um den Schutz jüdischen Lebens in der Stadt geführt worden. Bereits ein Jahr nach dem Anschlag, bei dem ein deutscher Rechtsextremist am jüdischen Feiertag Jon Kippur versucht hatte, mit Waffengewalt in eine Synagoge einzudringen, um die dort versammelten Juden zu töten, wurde die Sicherheitslage für das jüdische Gemeindezentrum im Burggrabenviertel verbessert. So seien damals bereits 70 000 Euro, die die Stadt Gießen aus ihrem Haushalt zur Verfügung gestellt habe, für die Modernisierung der Sicherheitstechnik ausgegeben worden, sagte Aviv seinerzeit.

Bisher bloß leere Drohungen

Die aktuellen Maßnahmen werden vom Land finanziert, das den Schutz der jüdischen Einrichtungen in Hessen verbessern möchte. An über 250 Objekten wie Synagogen und Gemeindehäusern, Schulen und Kindergärten sowie Friedhöfen und Gedenkstätten gibt es regelmäßig polizeiliche Schutzmaßnahmen. Als Konsequenz aus dem Anschlag von Halle hatte es zahlreiche Beratungsgespräche gegeben, wie die jüdischen Gebäude etwa durch Videoüberwachung, die Verbesserung der Türen und Fenster oder Außenbeleuchtung sicherer gemacht werden können. »100 Prozent Sicherheit wird es nicht geben, aber wir tun, was machbar ist«, sagt Aviv über die Kooperation mit dem Land und dem Landesverband der jüdischen Gemeinden. So kann die jüdische Gemeinde Gießen in Zukunft bei Veranstaltungen auf mehr Unterstützung seitens der Polizei und weiterer Sicherheitskräfte bauen. Außerdem wurden die Pförtner an der Schleuse zur Synagoge geschult und fortgebildet.

Für Aviv sind diese neuen Sicherheitsvorkehrungen ein zweischneidiges Schwert. »Die Gemeinde kann aufatmen. Wir sind einen Tick sicherer geworden. Am liebsten wäre es mir aber, wenn wir auf all das verzichten könnten, aber leider ist die Situation so, dass diese Sicherheitsmaßnahmen notwendig sind«, sagt der Gießener.

Bisher habe es sich in seiner Stadt zwar bloß um leere Drohungen gehandelt, die je nach den aktuellen Antisemitismus-Diskussionen mal mehr und mal weniger bei ihm per E-Mail eingingen. Ein angenehmes Gefühl sei dies aber natürlich nicht. »Wir müssen auf der Hut sein. Leider.«

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