23.10.2023

Jüdische Gemeinde in Fulda fühlt sich sicher - trotz wohl erster politisch motivierter Straftaten

Fulda

Der Antisemitismus, der sich bei pro-palästinensischen Demonstrationen in Berlin zeigt, macht fassungslos. Kleinere Straftaten, die wohl politisch motiviert sind, gibt es auch in der Region Fulda.

In Bad Hersfeld wurde nach den Terror-Morden der Hamas am 7. Oktober eine jüdische Gedenktafel zerstört. In der Fuldaer Innenstadt wurde der Schriftzug „Free Palestine“ an eine Fassade geschmiert. Wie steht es um die Sicherheit der jüdischen Gemeinden? Ein Besuch in der Synagoge in Fulda.   Das rote Backsteingebäude der Jüdischen Gemeinde in Fulda ist von einem hohen Zaun umgeben. Mehrere Kameras hängen an der Hauswand. Und wenn hier Veranstaltungen stattfinden, dann ist stets die Polizei vor Ort – aus Sicherheitsgründen. „Das ist aber schon immer so“, erklärt Roman Melamed.

Jüdische Gemeinde in Fulda fühlt sich sicher - erste politisch motivierte Straftaten

Der 55-Jährige ist Vorbeter und als Gemeindebetreuer beim Landesverband jüdischer Gemeinden für Fulda, Marburg, Limburg und Michelstadt zuständig. Die Jüdische Gemeinde in Fulda hat 320 Mitglieder, der überwiegende Teil stammt aus der früheren Sowjetunion. Auch Melamed wurde in Donezk in der Ukraine geboren, dort wo in diesen Tagen der Krieg wütet. Nun kommt die Sorge um Israel hinzu – und die pro-palästinensischen Demonstrationen in Berlin, aber auch in Frankfurt oder Kassel. Dass es in der Hauptstadt zu solchen Ausschreitungen kommen kann, überrascht ihn nicht. „Einige Leute unterstützen die Hamas und werden auch in Deutschland aktiv. Ich hätte mir gewünscht, dass so etwas nicht passiert, aber leider ist es so.“ Auch er sei schon vor 20 Jahren in Berlin mal von einem Palästinenser provokant angesprochen worden, als er mit einem Rabbiner unterwegs war.

In Fulda fühle er sich aber sicher. „Offenen Antisemitismus oder Hass gegen Juden habe ich hier nie erlebt.“ Melamed ist seit 25 Jahren in Osthessen. Als konservativ orthodoxer Jude trägt er Kippa. Allerdings nicht immer. „In der Stadt habe ich eher eine Kappe an und die Kippa drunter, weil es mir unangenehm ist aufzufallen.“ Die Beziehungen der Religionen untereinander seien gut. Beim Runden Tisch der Religionen kommen katholische, evangelische, jüdische, muslimische und alevitische Menschen zusammen. „Wir treffen uns einmal im Quartal, um miteinander ins Gespräch zu kommen und auch um Frieden zu beten“, sagt er.

Oliver Dainow, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde in Hanau im Main-Kinzig-Kreis, sagt, dass es zunehmend schwieriger wird, den Mitgliedern seiner Gemeinde ein Sicherheitsgefühl zu vermitteln. Die Radikalisierung in der Gesellschaft beunruhige ihn. „Ich lege eine gewisse Vorsicht an den Tag.“ Diese Vorsicht sei jedoch in jüdischen Gemeinden schon lange ein ständiger Begleiter. „Ich bin in Offenbach aufgewachsen und war dort Teil der Gemeinde. Als Kind war es für mich normal, den Polizisten zu winken und ihnen Hallo zu sagen“, erinnert sich Dainow. Er beobachtet einen steigenden Antisemitismus.

Solidaritätsbekundungen von Bischöfin Beate Hofmann und Bischof Dr. Michael Gerber

„Wo wird denn demonstriert? Nicht vor der Botschaft. Nicht vor dem Konsulat. Sondern vor den Türen von Synagogen.“ Von den knapp 200 Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde in Hanau haben viele Familie und Freunde in Israel. „Das ist dann nicht mehr abstrakt.“ „Da geht es nicht mehr um ein Land oder eine Religion. Da geht es um Menschen, die von Menschen sprechen, die sich fragen, wie es ihrer Familie geht.“

Nach dem Angriff der Hamas hat Roman Melamed mehrere Solidaritätsbekundungen erhalten, von der Bischöfin Beate Hofmann zum Beispiel, auch von Bischof Dr. Michael Gerber und der FDP in Fulda. Die Schreiben hat er in seinem Büro aufgehoben, das sich ebenfalls im Kulturzentrum befindet, genau wie eine Synagoge und ein Raum für Konzerte. In jedem Türrahmen hängt eine längliche Kapsel, die Mesusa, die ein eingerolltes Pergament mit Abschnitten aus der Tora enthält.

„Sie dient auch als geistlicher Schutz“, erklärt Melamed und geht in die Bibliothek, wo in einer kleinen Museumsecke die jüdische Geschichte in Fulda erzählt wird. Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es hier einige jüdische Firmeninhaber und eine große Synagoge am Stockhaus, die 1938 in der Reichspogromnacht zerstört wurde. „1930 hatten wir 1113 Gemeindemitglieder. Das Haus hier wurde 1899 als israelitische Volksschule gegründet“, erklärt er. Historische Fotos hängen im Treppenhaus. Als Melamed die Tür zum oberen Stockwerk öffnet, fällt ein Zeitungsartikel ins Auge, den er aufgehängt hat: Es ist ein Ausschnitt der Jüdischen Allgemeinen, die vom Zentralrat der Juden herausgegeben wird. Er zeigt die Bilder und Namen aller bekannten Opfer des Hamas-Anschlags vom 7. Oktober 2023.

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