18.03.2024

Gar nicht so getrennt im Glauben

Darmstadt

Vertreter des Christentum, Judentum und Islam weisen bei einem Gottesdienst in Frankfurt auf das verbindende Element der Menschlichkeit hin. Man müsse zusammen gegen Hass und Hetze stehen.

Wenn nicht Premierencharakter, dann doch mindestens Seltenheitswert hatte am Sonntagvormittag die von Cheikh Imam Ahmed Abdelhadi Ali vorgetragene Sure 37 in der evangelischen St. Katharinenkirche. Doch nicht nur Vertreter des Islam waren zum Gottesdienst anwesend, auch der Vorsitzende der jüdischen Gemeinden Hessen, Daniel Neumann, nahm in der ersten Reihe Platz. Gemeinsam wollte man ein Zeichen setzen zum Auftakt der Internationalen Wochen gegen Rassismus.

Neumann betonte in seinem Grußwort dann auch, dass es etwas Besonderes sei, dass er in einer Kirche sei und vor einem Gottesdienst spreche. „Das sollte es eigentlich nicht sein“, fügte er an. Es gebe historisch gewachsene und theologisch begründete Ursachen, wieso jüdische Gläubige keinen christlichen Gottesdienst besuchen. Und ja durch einen anderen Glauben seien Juden schon anders als Christen. Doch ein jeder verdiene die Menschenwürde und sei zu 100 Prozent immer ein Mensch. Jede und jeder habe das Recht, als Mensch anerkannt zu werden. Darin seien sich Bibel, Tora und Koran einig. Neumann ermutigte dazu, gegen Hass und Hetze aufzustehen. Es falle oft schwer, die Verschiedenheit in direkter Nähe zu akzeptieren. Es brauche eine „Kraftanstrengung“. Und er versprach, bald wieder ein Grußwort zu halten.

Die Predigt des Gottesdienstes wurde schließlich von Volker Jung, dem Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau, gehalten. Er las aus dem 22. Kapitel des ersten Buch Mose: Isaaks Opferung. Er betonte, dass jene Stelle im Jüdischen noch treffender Isaaks Bindung heißt. Auch im Koran, in der eingangs erwähnten Sure 37, gibt es die Geschichte von Ismaels Opferung. Dessen Vater Abraham verbinde die monotheistischen Religionen, so Jung.

In der Geschichte verlangt Gott von Abraham, seinen Sohn zu töten und ihm als Opfer darzubringen. Abraham gehorcht trotz etwaiger Zweifel und wird erst kurz vor der Tötung von Gott aufgehalten. „Gott will kein Opfer. Gott will das Leben“, interpretierte der Kirchenpräsident. Und er erklärte, dass Gott „verschiedene Wege mit uns“ gehe, es also verschiedene Religionen gebe, aber am Ende spreche Gott mit einer Stimme. „Der Stimme des Lebens.“

Auch Abdassamad El Yazidi, Generalsekretär des Zentralrats der Muslime in Deutschland, sprach ein Grußwort an die Anwesenden. Er erklärte zunächst: „Wer den Mensch nicht liebt, liebt nicht Allah“ und fügte an, dass auch Christen und Juden, wenn sie arabisch sprechen, Gott Allah nennen. Wenn die drei Glaubensgemeinschaften heute oder bei anderen Gelegenheiten zusammenkommen, dann sei es kein Dialog zwischen Religionen, sondern ein Dialog zwischen Menschen.

El Yazidi bedauerte, dass Ewiggestrige aktuell wieder erreichte Annäherungen bedrohen und den Respekt gegenüber Andersgläubigen infrage stellen. Er war sich sicher, dass diese Gruppe zwar lauter, aber nicht mehr als die andere Seite wären. Gleichzeitig mahnte er, dass dadurch alle Menschen in Deutschland bedroht werden, unabhängig von Konfession oder anderen Überzeugungen. „Unser Miteinander, unsere Demokratie ist in Gefahr.“ El Yazidi rief zu einer Allianz der Vernunft auf, die – Schulter an Schulter – die gemeinsamen Werte verteidigen. So endete ein besonderer Gottesdienst, der sicherlich mehr als die rund 90 Anwesenden verdient hatte.

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