11.11.2024

»Niemand kann sich wegducken«

»Aus Ideen werden Bilder, werden Worte, werden Taten.« Mit eindringlichen und zugleich mahnenden Worten wurde am Freitag anlässlich des Jahrestags der Pogromnacht 1938 die Ausstellung:» Ja, DAS ist Antisemitismus! Jüdische Erfahrungen in Hessen« im Atrium eröffnet.

Es sei wichtig, richtig und notwendig mit dieser Kunstausstellung klare Kante zu beziehen und die verschiedenen Formen von Antisemitismus markant zu thematisieren, eröffnete Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher die Vernissage im Rathaus. »Gedenkveranstaltungen wie diese sind ein integraler Bestandteil der Erinnerungskultur und sollen auch gleichzeitig eine Mahnung sein: Nie wieder!«

Ins Leben gerufen wurde die Ausstellung von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Hessen (RIAS) in Zusammenarbeit mit der Universitätsstadt Gießen. Authentische, antisemitische Vorfälle bilden die Grundlagen für die Illustrationen, die von Sophie Hirsch und Büke Schwarz stammen. Die Erfahrungen von Juden und Jüdinnen in Hessen wurden anonymisiert und in Bildgeschichten umgesetzt.

»Judenhass hat sich immer tiefer in die Gesellschaft gefräst und existiert leider schon länger als seit 1938. Dabei hat Antisemitismus verschiedene Formen und ist in allen gesellschaftlichen Milieus zuhause. Das heißt auch: Niemand kann sich wegducken - so einfach und so kompliziert ist es«, stellte Susanne Urban von RIAS Hessen fest. Dass Handlungsbedarf besteht, machen nicht nur Zahlen deutlich, die die Expertin vortrug. Im Jahr 2022 habe es 178 Vorfälle von Antisemitismus in Hessen gegeben. Ein Jahr später waren es 528 Vorfälle, davon 331 zwischen dem 7. Oktober und dem 31. Dezember. »Am Tag des Massakers der Hamas in Israel gab es acht Vorfälle in Hessen. Es gab nicht mal eine Atempause, keinen Raum für Trauer und Entsetzen.«

Dow Aviv von der Jüdischen Gemeinde Gießen fand noch drastischere Worte und verglich die Judenfeindlichkeit mit einem Krebsgeschwür. Dabei unterscheide die Krankheit nicht, wo sie anfängt und wo sie aufhört. »Wenn man nicht handelt, breitet sich das Geschwür überall aus und zerstört den ganzen Körper.« Der menschliche Körper diente dabei als Metapher für die Gesellschaft. »Wir haben heute Mittel und Wege für eine Heilung. Wir als Gesellschaft müssen diese Krankheit gemeinsam bekämpfen und ihr klar machen: Du bist hier unerwünscht! Wir wollen wie jeder andere Mensch in Freiheit und in demokratischen Verhältnissen leben. Wir nehmen niemandem etwas weg und wir möchten auch nicht, dass von uns etwas gestohlen wird - vor allem nicht unsere Würde.«

Nicolas Obitz von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) stellte fest, dass viele Juden und Jüdinnen eine »Kluft in der deutschen Gesellschaft spüren, wie sie Jahrzehnte nicht mehr bestand.« Es sei umso wichtiger, verlorene Empathie wiederauf- sowie Vorurteile abzubauen.

Die Ausstellung »Ja, DAS ist Antisemitismus! Jüdische Erfahrungen in Hessen« im Atrium ist vom 11.November bis zum 9. Januar zu sehen. Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag 7:30 bis 18 Uhr, freitags bis 13 Uhr.

(Quelle: giessener-allgemeine.de)

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