»Präventionsarbeit ausweiten«
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»Der Schutz jüdischer Einrichtungen und Versammlungen durch Polizei und zum Teil sogar Staatsschutz ist ein Zeichen dafür, dass die Minderheit jüdischen Glaubens in unser Demokratie nicht mehr frei leben kann und aus Angst Symbole ihres Glaubens versteckt, um nicht als jüdisch erkannt zu werden«, sagte Britta Weber, Vorsitzende des Landesverbands der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Hessen. »Antisemitische Straftaten nehmen in Deutschland zu. Die Gefahr kommt nicht nur von offensichtlich rechtsextremistischer Seite, sondern auch von links gesinnten Medien und Persönlichkeiten, die unreflektiert Parolen wiederholen, die von Islamisten im Internet, in den sozialen Medien, verbreitet werden. Wenn antisemitische Aussagen und Haltungen immer öfter offen geäußert und dadurch in der Öffentlichkeit normalisiert werden, kann die Stimmung im Land kippen«, sagte Roberto Fabian, stellvertretender Vorsitzender im Landesverband und im Vorstand der Gesellschaft Christlich-Jüdischer Zusammenarbeit Frankfurt.
Besonders bedrohlich hält Fabian den Geschichtsrevisionismus, mit dem politische Kreise in Deutschland im Diskurs geschichtliche Ereignisse umdeuten und Verbrechen des NS-Regimes verharmlosen. »Mittlerweile leben 5,3 Millionen Muslime in Deutschland. Jüdisches Leben ist hingegen mit nur rund 200 000 Menschen kaum noch wahrnehmbar. Rund 95 000 sind in jüdischen Gemeinden, wie in Bad Nauheim, organisiert. Vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 zählten die jüdischen Gemeinden im Deutschen Reich rund 560 000 Mitglieder«, erinnerte Manfred de Vries, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Bad Nauheim. »Wir setzen auf interreligiösen Dialog mit dem Abraham Café. Mit dem Programm ›Meet a Jew, Meet a Moslem, Meet a Christian‹ gehen wir an Schulen und bieten Führungen der Synagoge an«, ergänzte er.
»Judenhass wurde vom christlichen Glauben geschürt und wird auch vom Islam propagiert, daher sind Begegnungen von Andersgläubigen untereinander wichtig«, sagte Weber. Die Runde sei sich einig gewesen, dass es einer Ausweitung der Präventionsarbeit an Schulen bedarf und dass auch Vereine einen Beitrag der Begegnung und Sensibilisierung leisten.
»Ein Besuch von Gedenkstätten macht das unfassbare Ausmaß der Verbrechen gegen die Menschlichkeit greifbarer«, bezeugte ein Teilnehmer, der als Jugendlicher das KZ Auschwitz besucht hat. »Solche Schulausflüge müssen jedoch auch vor- und nachbereitet werden, damit junge Menschen die Eindrücke auch verarbeiten können. Ein sehr gutes Beispiel ist die Ausstellung ›Auschwitz und wir - Gen Z blickt hinter den Stacheldraht‹ in Bad Nauheim, die Schüler und Schülerinnen der Ernst-Ludwig-Schule als eines geförderten Projekts organisiert hatten - als Zeichen, dass auch sie Gesellschaft mitgestalten«, sagte Weber. »Der Fokus sollte nicht nur auf Gymnasien liegen.«
(Quelle: giessener-allgemeine.de)