Daniel Neumann in Fulda: Mythen über Israel

Kulturamtsleiter Dr. Thomas Heiler, der Neumann seit vielen Jahren kennt und schätzt, begrüßte die Gäste. "Daniel Neumann steht uns hier immer wieder fachlich und freundschaftlich zur Seite, wenn es etwa darum geht, jüdischen Gebäuden oder Plätze ihre Würde als Gedenkorte zurückzugeben", so Heiler. Das gelte aktuell für den Synagogenplatz und den alten jüdischen Friedhof. Er freue sich außerdem, Daniel Neumann als halben Fuldaer begrüßen zu können, lägen seine familiären Wurzeln doch in der Barockstadt. Für die GCJZ begrüßte deren Vorsitzende Jutta Hamberger und zitierte dabei aus einem Kommentar im ‚Standard‘ vom 27.09.2025: "Noch nie seit der Shoah waren die Zeiten für Juden bitterer als jetzt."
Dann folgte Neumanns historisch fundierter, messerscharfer Vortrag, in dem er häufig wiedergekäute Narrative über Israel zerlegte. Das war nicht nur inhaltlich, sondern auch rhetorisch eine Glanzleistung. Dass viele Menschen falsche Narrative nicht hinterfragen, sondern aufgreifen und weitertragen – bietet dem Antisemitismus einen erschütternd fruchtbaren Nährboden. Auch in Deutschland, auch in Fulda.
Kein Jude ist sicher in der Diaspora
Mit lustvoller Genauigkeit zertrümmerte Neumann zahlreiche Mythen, so etwa den, Israel sei ein Kolonialreich und ein imperialer Staat. Ein Land zu kolonisieren, bedeutet immer, es zu erobern. Eine Kolonialisierung liege nicht vor, wenn Menschen als Flüchtlinge kommen, wie es ab dem Jahr 1882 geschah. Die ersten Juden, die aus dem zaristischen Russland ins Osmanische Reich auswanderten, flohen vor blutigen und tödlichen Pogromen – eine Vorahnung dessen, was später unter der Hakenkreuzfahne folgen sollte. Parallel bildete Theodor Herzl seine Idee des Zionismus aus, dessen Kern eine bittere Erkenntnis war: Kein Jude ist sicher in der Diaspora.
Nach dem Ende des Osmanischen Reichs 1918 wurde sein Staatsgebiet und den Siegermächten des Ersten Weltkriegs, Großbritannien und Frankreich aufgeteilt und als Mandatsgebiet verwaltet Die Gebiete Transjordanien und Syrien wurden abgetrennt, übrig blieb ein kleines Fleckchen Land. Die Juden wollten sich eine selbstbestimmte, freie Existenz schaffen, etwas, wogegen sämtliche umliegenden arabischen Staaten etwas hatten.
Nicht gestohlen, nicht geschenkt
Neumann widerlegte auch das Narrativ, dass den Palästinensern – die sich überhaupt erst ab der 1960er Jahre so nannten – das Land gestohlen worden sei. Denn: Von Anfang an war klarer Mandatsauftrag, dass im Gebiet Palästinas eine nationale Heimstätte für das jüdische Volk zu errichten war. Womit auch klar ist, dass die UN das Land den Juden nicht als Wiedergutmachung für die Shoah schenkte.
Der Vorschlag der Briten, das verbliebene Land aufteilen, wurde von den Juden akzeptiert, nicht aber von den Palästinensern. "Es ist wichtig zu wissen, dass die Palästinenser jede Möglichkeit, einen eigenen Staat zu schaffen, immer wieder selbst verhindert haben", so Neumann. Statt auf den Teilungsplan einzugehen, kam es zu arabischen Übergriffen auf die jüdische Bevölkerung, befeuert von Mohammed Amin al-Husseini, dem Mufti von Jerusalem, einem Antisemiten ersten Ranges, der im Dritten Reich mit Hitler paktierte und dessen Menschenverachtung in den Nahen Osten trug. "Die Juden suchten eine jüdische Heimstätte, aber die arabischen Völker wollten unter keinen Umständen einen souveränen jüdischen Staat akzeptieren", so Neumann. Mit anderen Worten – die Prioritäten beider Seiten waren unvereinbar, der Konflikt deshalb nicht lösbar.
"Jeder, der damals im Gebiet Israels lebte, galt als Flüchtling – das galt auch für alle Nachkommen. Dabei war es egal, wo die ‚Flüchtlinge‘ lebten. Inzwischen sind es Millionen, die seit Jahrzehnten von der UN alimentiert werden, weil keiner sie haben will". Denn auch das ist eine Konstante in allen Auseinandersetzungen in Nahen Osten: Kein arabisches Land will die Palästinenser. "Man weiß nur zu gut, dass man sich mit ihnen Terror und Destabilisierung ins Land holt", so Neumann.
In der UN wurde das Hilfswerk UNRWA gegründet, einzig zur Alimentierung der Palästinenser. Mit 30.000 Mitarbeitern, von denen 99% Palästinenser sind. Zum Vergleich: Das UNHCR, das Flüchtlingshilfswerk für alle anderen Flüchtlinge auf dieser Erde, kommt mit 18.000 Mitarbeitern aus. Ein Missverhältnis, das ins Auge sticht.
Doppelstandards und Delegitimierung
Ein Vorwurf, der immer wieder und verstärkt seit dem 07. Oktober gegen Israel erhoben wird, ist der des systematischen Genozids im Gaza. Der vom jüdischen Juristen Raphael Lemkin entwickelte Begriff zeigt allerdings sofort die Absurdität dieses Vorwurfs. Lemkin, der das Grauen der Shoah sprachlich und juristisch fassen wollte, definierte Genozid als "gezielte Zerstörung einer nationalen, ethischen, rassischen oder religiösen Gruppe", eine Definition, die auch von der UN-Völkermordkonvention übernommen wurde. Heute hätten wir die schizophrene Situation, dass von systematischer Vertreibung gesprochen wird, wenn die Palästinenser evakuiert werden, und von Genozid, wenn sie bleiben", so Neumann. Oder so: Israel kann es offenbar niemandem recht machen. "Was Israel angeht, herrschen weltweit Doppelstandards und Delegitimierung."
Ein ebenso trauriges Kapitel ist die Geschichte der zahlreichen UN-Resolutionen gegen Israel. "Früher habe ich geglaubt, die UN sei eine großartige Organisation, die Menschenrechte schütze. Heute sage ich, das ist ein Gebilde, in dem Diktatoren und totalitäre Regime das Sagen haben", so Neumann. Gegen kein Land wurden so viele Resolutionen verhängt wie gegen Israel.
Trotz aller Fehler bleibt Israel eine Lichtgestalt
Israel hat heute die Rolle, die früher Juden in der Welt hatten – auf Israel wird alles projiziert, was früher auf Juden projiziert wurde." Kann es eine Lösung im Konflikt zwischen Juden und Palästinensern geben? Ja, so Neumann, "und Frieden geht nur mit Kompromissen beider Seiten. Dafür braucht es kreative Ansätze – so wie es jetzt ist, kann es nicht weitergehen." Das gelte auch dann, wen Israel Fehler mache – und die mache es. Aber: Israel bleibe eine
Lichtgestalt, weil es ein bunter, vielfältiger und dynamischer Staat sei, der verzweifelt um die Sicherung seiner Existenz kämpfe. "Nirgends in der Region haben Menschen so viele Rechte, soviel Freiheit wie im demokratischen Israel. Viele israelische Erfindungen erleichtern uns schon heute das Leben – morgen ist es vielleicht der Iron Dome, wenn wir uns in Europa gegen russische Angriffe schützen müssen."
Kann man den grassierenden Antisemitismus etwas entgegensetzen? "Ja", so Daniel Neumann. "Denken Sie, bleiben Sie kritisch, schauen Sie hinter die Fassade und stellen Sie Fragen". Mit viel Beifall wurde Daniel Neumann verabschiedet – mit dem Wunsch, er möge bald wieder nach Fulda kommen.
(Quelle: osthessen-news.de)