In Wiesbaden erzählen Holocaust-Überlebende aus der früheren UdSSR
„Da sind Menschen vor meinen Augen verhungert“, erzählt die 91-jährige Sina Kaplan über ihr Exil in Samarkand (Usbekistan). Sie war 18, als Hitler-Deutschlands Armeen die Sowjetunion überfielen, und rettete sich, indem sie mit ihrer Mutter rechtzeitig ihre Heimatstadt Riga (Lettland) verließ. Ihr Stiefvater David, Mitglied einer Lettischen Division, fiel bei der Verteidigung des umzingelten Leningrad, das Hitler aushungern wollte.
Sina Kaplans kleine Familie sprach Deutsch, fühlte sich dem deutschen Kulturkreis zugehörig. „Die Probleme kamen erst, als die Nazis auftauchten“, sagt sie. Die Frage, ob sie sich in Riga als deutsche Juden gefühlt hätten, beantwortet Sina Kaplan mit einem energischen „selbstverständlich“. Russisch hat sie erst in Samarkand gelernt. Mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann Boris kam sie 1981 nach Deutschland, zunächst nach Köln, später nach Wiesbaden.
Efim Levin (86), Kontingentflüchtling aus den 1990er Jahren, wuchs im weißrussischen Zlobin am Dnjepr auf und erlebte als 14-Jähriger den Kriegsbeginn, die Bombardierungen seiner Heimatstadt, die nahen Bodenkämpfe, die Flucht nach Charkow in der Ukraine. Sein Freund Ilja wurde bei einem Luftangriff verletzt, sein Bruder Pjotr fiel als Soldat der Roten Armee. Acht seiner Cousins kämpften in der Roten Armee, vier kehrten zurück.
In der Familie von Bella Yasnagorotskaja (77) war der Blutzoll noch höher: Von den sechs Soldaten mütterlicherseits kehrte einer zurück, väterlicherseits zählt sie vier Soldaten, davon drei Gefallene, auf.
Jüdische Soldaten waren voll akzeptiert in der Roten Armee, sagt Tanja Khovitsch. „Die haben gekämpft wie die Tiere. Denn sie haben gewusst, dass das die letzte Möglichkeit war, ihre Familien zu retten.“ Alle der 160 Holocaust-Überlebenden der Wiesbadener Gemeinde haben Kriegstote in ihren Familien zu beklagen.
Den ausführlichen Artikel über die Erzählungen der Holocaust-Überlebenden finden Sie auf den Seiten des Wiesbadener Tageblatts.