24.07.2014

Daniel Neumann: „Man hat zu lange gedacht, dass antisemitische Hetze nur von Neo-Nazis kommen kann“

Darmstadt

69 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus durften islamische Faschisten und linksradikale Deutsche am vergangenen Freitag bei einer Demonstration in der Darmstädter Innenstadt ungestraft antijüdische Hetz-Parolen anstimmen – das Ganze quasi unter den Augen eines grünen Oberbürgermeisters. HEINERTOWN unterhielt sich hierzu mit Daniel Neumann, dem Darmstädter Geschäftsführer des Landesverbandes Jüdischer Gemeinden in Hessen.

HEINERTOWN: Herr Neumann, am Freitag vergangener Woche war es soweit. 69 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus durften islamische Faschisten und linksradikale Deutsche bei einer Demonstration in der Darmstädter Innenstadt ungestraft antijüdische Hetz-Parolen anstimmen – das Ganze quasi unter den Augen eines grünen Oberbürgermeisters.

NEUMANN: Für uns ist es erschreckend und beunruhigend, so etwas mit ansehen zu müssen. Es überrascht uns allerdings auch nicht. Wir warnen die zuständigen Stellen seit Jahren davor, dass vor allem bei den in Deutschland lebenden arabischen und türkischstämmigen Jugendlichen Antisemitismus und Israelfeindschaft weit verbreitet sind, woraus sich in Teilen heftiges Hetz- und Gewalt-Potential gegen alles Jüdische ergibt. Auch das Problem des linksradikalen Antisemitismus haben wir immer wieder thematisiert. Es ist eine ungute Mischung, mit der wir es in Deutschland und auch in Darmstadt hier zu tun haben. Man kann zu dem Ergebnis kommen, dass man das in dieser Form in den Politikbetrieben auf Bundes- und Länderebene sowie in den Kommunen bislang nicht wirklich wahrhaben wollte.

HEINERTOWN: Bei Grün-Schwarz in Darmstadt konnte man bislang das Gefühl haben, es seien ausschließlich Neo-Nazis, die gegen Menschen jüdischen Glaubens hetzen.

NEUMANN: Das sehe ich so nicht. In Darmstadt haben wir kein Neo-Nazi-Problem. Gott sein dank, wie ich hinzufügen möchte. Es ist vielmehr eine ungute Mischung aus muslimischem Antisemitismus sowie linkem und rechtem Juden- oder Israelhass.

HEINERTOWN: Ist man in Darmstadt auf dem linken Auge blind?

NEUMANN: Man hat sich in Darmstadt in bestimmten Kreisen sicherlich zu lange in der subjektiven Gewissheit geborgen gefühlt, dass antisemitische Hetze doch eigentlich nur von Neo-Nazis kommen kann.

HEINERTOWN: In einem Resolutions-Entwurf der Darmstädter SPD ist im Zusammenhang mit den Vorfällen vom vergangenen Freitag explizit von einer islamischen Gefahr die Rede.

NEUNMANN: Richtig ist, dass der muslimische Antisemitismus eine unglaublich breite Basis mit einem teilweise extremen Gewalt-Potential hat. Das ist auch bei den zuständigen Stellen bekannt. Wir jedenfalls haben oft genug darauf hingewiesen. Manchmal allerdings habe ich den Eindruck, dass man nach einem Gespräch mit uns denkt „lasst die doch reden, so schlimm wird es schon nicht sein“.

HEINERTOWN: Was sind Ihre Gedanken, wenn die Rede auf die aktuelle Situation in Nahost kommt?

NEUMANN: Ich habe dazu eine Meinung, wobei ich kein Problem damit habe, wenn über die Positionen der israelischen Regierung kritisch diskutiert wird. Das Thema wird in der israelischen Öffentlichkeit sehr kontrovers behandelt. Ich halte es von daher für völlig normal und legitim, wenn auch die Menschen in Deutschland hier zu unterschiedlichen Bewertungen kommen. Gegen eine sachliche Debatte, bei der unterschiedliche Meinungen aufeinanderprallen, ist nichts einzuwenden.

HEINERTOWN: Wie sollte man Ihrer Ansicht nach seitens der grün-schwarzen Darmstädter Stadtregierung umgehen mit der antijüdischen Hetze von extremistischen Muslimen und Linksradikalen?

NEUMANN: Ich erwarte, dass Stadt und Polizei alles tun, um antijüdische Hetze mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln des Rechtsstaates zu unterbinden. Leider drängt sich der Verdacht auf, dass sich der romantische Traum von einer Multikulti-Gesellschaft, in der Menschen aus unterschiedlichsten Kulturkreisen freundschaftlich und unter Beachtung der rechtsstaatlichen Prinzipien der Bundesrepublik Deutschland zusammenleben, zunehmend als Lebenslüge entpuppt.

HEINERTOWN: Herr Neumann, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

  

(Quelle: HEINERTOWN.de)

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