Trauer um Monik Mlynarski: Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Bad Nauheim gestorben
Monik Mlynarski ist immer wieder einmal zu Fuß zur Bushaltestelle in Bad Nauheim unterwegs gewesen, denn er war täglich zu den Bürozeiten und Gottesdiensten in der Synagoge in der Karlstraße 34 anzutreffen. Am Donnerstag brach der 92-jährige langjährige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Bad Nauheim auf dem Weg zum Bus plötzlich zusammen. Passanten sorgten dafür, dass er ins Krankenhaus kam, wo er kurz darauf starb.
Mlynarski wurde 1923 im polnischen Modrzejów als Sohn des Religionslehrers Abraham Mlynarski und seiner Frau Salla geboren. Er hatte drei Geschwister namens Samuel, Ruchla und Baruch und war der Jüngste. Mit 16 Jahren meldet sich Mlynarski, als 1940 fünfzig jüdische Männer für angeblich bezahlte Arbeit in Deutschland gesucht werden. Den Hinterhalt bemerkt er, als die SA die Männer mit Schlägen in Waggons treibt.
Der Jugendliche muss bis zum Kriegsende Zwangsarbeit in verschiedenen Lagern verrichten, die er mit viel Glück überlebt. Dabei hilft ihm ein Overall, den ihm seine Mutter gegen die Kälte geschickt hatte. Als ihn ein Aufseher wegen des Kleidungsstücks fragt, ob er Schlosser sei, antwortete er eingeschüchtert mit „Ja“, worauf er zu Tätigkeiten eingeteilt wurde, die leichter waren.
Kurz vor Ende des Krieges muss Mlynarski mit 2700 anderen Häftlingen auf den Todesmarsch vom KZ Kittlitztreben nach Buchenwald, den nur 700 Menschen überleben. Völlig ausgezehrt wird er am 11. April 1945 von amerikanischen Soldaten Militär befreit.
Ankunft in der Wetterau
Er macht sich auf die Suche nach seiner Familie, muss aber feststellen, dass nur sein Bruder Baruch überlebt hat. In Erfurt lernt er seine Frau Helene kennen, entscheidet sich gegen eine Auswanderung und geht mit ihr in die Wetterau, wo er sich in der Textilbranche selbstständig macht.
Im Jahr 1985 kandidiert Mlynarski für den Vorsitz in der Jüdischen Gemeinde, deren Mitglieder heute zu 85 Prozent russische Immigranten sind. Sein Ziel ist, veraltete Strukturen zu erneuern. Mit seiner Wahl rechnet er nicht, nimmt die Herausforderung aber an und bleibt dem Amt bis zu seinem Tod treu. Weil die Synagoge seinerzeit umfänglich renoviert werden muss, macht er sich mit dem damaligen Bürgermeister Bernd Rohde (CDU) bekannt, der zum guten Freund wird. Zwei Sanierungen werden vollzogen.
Noch im hohen Alter macht sich Mlynarski Sorgen um die gesellschaftliche Entwicklung, zu der er öffentlich Stellung bezieht. 1992 erhält er das Bundesverdienstkreuz, 2014 verleiht ihm die Stadt die Ehrenbürgerwürde. Im selben Jahr publiziert er seine Erinnerungen „Ich überlebte die Hölle“ als Beitrag im Buch „Das Leben ist kein Sprudelhof“.
Darin erzählt er, sich immer gefragt zu haben, ob es richtig war, in Deutschland zu bleiben. „Doch ich hänge an der Jüdischen Gemeinde und Bad Nauheim, ich habe Verwandte und Freunde hier“, schreibt der Vater einer Tochter und Großvater eines Enkels. Auch während des Dritten Reichs seien nicht alle Deutschen gleich gewesen. Er habe Menschen erlebt, die sich wie Bestien benahmen – aber auch Menschen, die ihm halfen.
Im Miteinander fortfahren
Bestürzt über den Tod Mlynarskis sagt Bürgermeister Armin Häuser (CDU): „Mit ihm hat die Stadt einen bedeutenden Mitbürger und Ehrenbürger verloren, der für Versöhnung und Verständigung stand und damit unser Bild als weltoffene Stadt erheblich geprägt hat.“ Er sei sehr traurig über Mlynarskis Tod, sein Wirken werde Verpflichtung sein, in seinem Sinne weiter zu arbeiten.
Der evangelische Pfarrer Ulrich Becke hat Mlynarski noch vor einigen Tagen gesehen: „Ich habe mich gefreut, wie munter und fröhlich er war.“ Oft werde gesagt, dass jemand unersetzlich sei – in Mlynarskis Fall sei das so. „Er war ein überlebender Zeuge des Holocausts und hat doch die Hand zur Versöhnung und zum Miteinander gereicht.“,Diese Haltung sei ein großes Zeugnis aus dieser Generation gewesen, das nun verstummt sei.
(Quelle: Frankfurter Neue Presse)