25.02.2018

Antisemitismus im Netz: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Wiesbadener Betreiber einer Witzeseite

Wiesbaden

„Die Jüdische Gemeinde Wiesbaden wird auf jeden Fall Anzeige erstatten“, sagt Vorstandsmitglied Jakob Gutmark. Im Vorstand sei man „entsetzt und empört“ über das, was der Wiesbadener Matthias K. auf seiner Internetseite „schlechtewitze.com“ öffentlich verbreitet.

Was dort unter der Rubrik „Judenwitze“ abgedruckt ist, erfülle den Tatbestand der Volksverhetzung. „So etwas kann nicht hingenommen werden“, sagt Gutmark, der auch Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden Hessen ist.

Unter dem Deckmantel „schwarzer Humor“ toben sich Antisemiten und Rassisten aus. Die Millionen jüdischen Opfer des nationalsozialistischen Holocaust werden, und das ist noch milde formuliert, verunglimpft und beleidigt. „Ich bin fast vom Stuhl gefallen, als ich diese Sachen gelesen habe“, sagt Gerhard Valentin. „Das ist ungeheuerlich.“ Da werden zum Beispiel jüdische Mitbürger mit „Pizzen“ verglichen, wenn sie „in den Ofen geschoben“ werden. Valentin war im Rahmen des Projekts „Stadtteilhistoriker Wiesbaden“ auf die Seite gestoßen.

Am 22. Januar 2018 erstattete er Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Wiesbaden. Mit Schreiben vom 26. Januar erfuhr er, dass das Ermittlungsverfahren gegen Matthias K. wegen des Verdachts der Volksverhetzung eingestellt wird. Wie schon im Falle einer anderen Anzeige, die 2017 erstattet worden war. „Beim Schreiben der Staatsanwaltschaft bin ich fast wieder vom Stuhl gefallen“, sagt Valentin. Diesmal vor Empörung. Die Sache solle nicht strafbar sein? Denn – „ein hinreichender Tatverdacht, der eine Verurteilung des Beschuldigten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erwarten lassen müsste, besteht nicht“, meint die Staatsanwaltschaft. Alleine durch das Betreiben der Seite könne „nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschuldigte die mit den „Witzen“ in Bezug genommenen Bevölkerungsgruppen beschimpft, verleumdet oder böswillig verächtlich gemacht hat“.

Es "relativiert" sich gar nichts

Zu berücksichtigen sei „vor allem, dass die Internetseite ausdrücklich mit ,schlechte Witze' tituliert ist, wodurch die zahlreichen Herabwürdigen für die Besucher der Seite zumindest dahingehend relativiert werden, dass es sich erkennbar um Witze, das heißt um nicht ernst gemeinte Äußerungen handelt“. Witze? Relativieren? „Das ist unfassbar“, meint Gutmark, dessen Verwandte im Holocaust ermordet wurden.

Es „relativiert“ sich gar nichts, im Gegenteil: Wer die Kommentare und die „Daumen hoch“-Bewertungen hinter den einzelnen Widerwärtigkeiten näher betrachtet, sieht, was da gespielt wird: Da treten Kommentatoren auf, die sich „Heinrich Himmler“ nennen, oder „Der Führer“. Der echte Himmler gehörte zu den schlimmsten Verbrechern des Nationalsozialismus, er plante den Holocaust, die Ermordung von etwa sechs Millionen Juden. Als Reichsführer der SS war er verantwortlich auch für weitere Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Ein anderer Kommentator nennt sich „Jude88“ – die Ziffern stehen in der Nazi-Symbolik für „Heil Hitler“.

Staatsanwaltschaft ermittelt nun doch

Die Maßeinheit der Zustimmung ist das Daumen-Hoch-Zeichen: Dass eine Zigarette und ein Jude gemeinsam haben sollen, dass am Ende beide nur noch Asche sind – lässt 253 Daumen zustimmend recken. Dass der „größte Jude 4meter Stichflamme“ war, lässt hochgereckte 362 Daumen Zustimmung signalisieren.

Die Staatsanwaltschaft hat entgegen ihrer früheren Entscheidung nach Anfrage dieser Zeitung die Ermittlungen wegen des Verdachts der Volksverhetzung nun doch wieder aufgenommen. Es gebe weitere Erkenntnisse. Es könne auch Beihilfe in Betracht kommen.

Den ausführlichen Artikel über die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft finden Sie auf den Seiten des Wiesbadener Anzeigers.

  

(Bildquelle: Wiesbadener-Anzeiger.de)

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