24.08.2018

„Die Aggressionen sind nicht so direkt“

Wiesbaden

Jacob Gutmark, Vorstand der jüdischen Gemeinde Wiesbaden, über antisemitische Angriffe und das Israelfest. Zugleich startet die Kulturreihe „Tarbut“.

Die jüdische Gemeinde in Wiesbaden mit rund 900 Mitgliedern feiert doppelt: Am heutigen Donnerstag lädt sie zur Eröffnung ihrer jährlichen Kulturreihe „Tarbut“ und zugleich zu einem Fest zum 70-jährigen Bestehen des Staates Israel ein.

Herr Gutmark, die jüdische Gemeinde erwartet hohen Besuch. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, kommt zur Eröffnung der Ausstellung „70 Jahre Israel in Plakaten“. Was bedeutet das für Sie?
Ich sehe Herrn Schuster ja öfter, ich bin auch Mitglied im Direktorium des Zentralrates der Juden. Seine Anwesenheit wertet die Veranstaltung auf, aber auch die Schirmherrschaft des Ministerpräsidenten Volker Bouffier ist wichtig für uns. Am Donnerstag ist Kultusminister Lorz angekündigt. Alles deutet darauf hin, dass wir Respekt erfahren.

In anderen Städten kommt es häufiger zu Aggressionen gegenüber Juden. Ist das in Wiesbaden auch der Fall?
Aggression kommt schon vor, aber nicht so direkt. Wir werden regelmäßig verbal und durch Schmierereien angegriffen, auch vielfach in den sozialen Medien.

Können Sie ein Beispiel nennen?
In Wiesbaden wird gegenwärtig gegen einen Anbieter von Witzen mit hohem antisemitischem Gehalt, mit großer Anzahl an „Followers“, ermittelt. Das wurde erst nicht so ernst genommen. Jetzt aber hat der Mann eine Bewährungsstrafe erhalten.

Tragen die Gemeindemitglieder in der Öffentlichkeit Kippa?
Nein. Wir sind eine unauffällige Gemeinde, und von der Straße aus kann man unsere Synagoge kaum sehen, sie liegt in einem Hinterhof. Nicht weil wir uns verstecken möchten. Dies ist der historische Platz der alten Synagoge vor der Nazi-Herrschaft. Ende des 19. Jahrhunderts haben sich die Traditionellen Juden von den Liberalen getrennt und gründeten in der Friedrichstrasse ihre Synagoge und ihr Gemeindezentrum, wo wir jetzt sind.

Das Thema der Ausstellung könnte manche Leute provozieren. Wie steht es um die Sicherheit bei der Eröffnung?
Wir haben nicht die Absicht zu provozieren. Wir Juden stehen Israel positiv gegenüber. Deutschland ist multikulturell. Personen aus dem Nahen Osten haben oft eine anerzogene und tradierte Abneigung gegenüber Juden und Israel, auf die wir keinen Einfluss haben. Israel ist ein demokratisches Land und das werden wir feiern. Das 60-jährige Bestehen Israels feierten wir und Mitbürger mit einem Zeltdorf vor dem Rathaus. Das geht heute nicht mehr, der Landtag wird renoviert, da stehen Gerüste herum, aber auch die Forderung nach Sicherheit ist gewachsen. Deshalb feiern wir alle jetzt im Innenhof des Rathauses. In Wiesbaden machen wir die Erfahrung, dass sich der größte Teil der Gesellschaft nicht provoziert fühlt, wieso auch?

Welche Sicherheitsvorkehrungen werden getroffen?
Die Polizei und die Sicherheitskräfte werden am Eingang kontrollieren. Die Besucher dürfen keine Taschen, die größer als Din-A-4-Format sind, mitbringen und sollen auch ihren Ausweis dabei haben.

Interview: Madeleine Reckmann

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