Offenbach: Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde hält JAfD für "PR-Aktion"
Alfred Jacoby ist Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Offenbach (Hessen). Sie hat rund 850 Mitglieder, wurde im Jahr 1946 gegründet und gehört damit zu den ältesten Gemeinden hierzulande.
Im Interview mit RTL.de erzählt Alfred Jacoby, der hauptberuflich Architekt ist, warum ihn die Nachricht der JAfD-Gründung so schockiert hat, welches Feindbild Juden und AfD-Politiker teilen könnten und warum "Offenbach kein Chemnitz" ist.
"Ich distanziere mich von jedem AfD-Mitglied."
Was war Ihr erster Gedanke, als Sie von der JAfD gehört haben?
Ich fand das von vorne herein total aberwitzig. Ich dachte wirklich zuerst, das kann doch gar nicht sein. Was soll das? Diese Gründung macht für mich keinen Sinn und da spielt es keine Rolle, ob jemand Jude, Buddhist oder Christ ist.
Warum spielt das keine Rolle? Es geht doch um die JAfD?
Ich sage Ihnen, warum. Ich distanziere mich von jedem AfD-Mitglied, egal welcher Religion er oder sie zugehört. AfD-Politiker sind für mich Rechte in teuren, englischen Anzügen, die sich weltlich geben. In Wahrheit sind da aber nicht nur die Anzüge kleinkariert.
Also passen für Sie die Werte der jüdischen Gemeinden hierzulande nicht mit den Werten der AfD überein?
Abgesehen davon, dass ich die Vereinigung mittlerweile nur noch für eine PR-Aktion halte: nein. Es geht um Emotionen. Die Menschen, egal ob Juden oder nicht, denken, da unternimmt endlich mal jemand etwas gegen unsere Feinde.
"Die AfD will die Geschichte zurückdrehen"
Welche Feinde meinen Sie?
Der Islam, die Ausländer - genau spielt das keine Rolle.
Scheint das islamische Feindbild für manche Juden nicht ein Anhaltspunkt zu sein?
Wir kennen den importierten Antisemitismus aus arabischen Ländern. Man hasst uns Juden dort, weil man uns mit Israel gleichsetzt. Das könnte man als Zusammenhang werten. In Wahrheit hat das jüdisch-arabische Verhältnis aber nichts mit der islamkritischen Haltung der AfD zu tun. Denn alles, was die AfD macht, ist eine Hass-Agenda zu etablieren. Dabei ist es ganz klar, dass diese Partei die Geschichte zurückdrehen will.
Zurückdrehen, inwiefern?
Hören Sie. Meine Eltern waren im KZ. Mein Großonkel wurde aus Deutschland nach Polen transportiert und dort umgebracht. So etwas darf nicht wieder passieren. Schließlich leben wir in einem modernen, innovativen Land. Wir machen die besten Autos, wir denken zukunftsorientiert. Dafür müssen wir unseren Kopf einschalten, doch bei der AfD sind die eher angefault.
"Wir haben uns die Stinktiere vom Hals gehalten."
Was bedeutet das für die Juden in Deutschland?
Wir haben uns darauf eingelassen, hier zu leben. Ausgrenzung sollte für uns Juden keine Rolle mehr spielen. Deshalb ist es die Aufgabe der jüdischen Gemeinden, Integration zu fördern, statt sie anzukreiden.
Gehört zu dieser Integration auch das Verhältnis Judentum-Islam?
Definitiv. Wir leben in Offenbach. Das ist die Stadt mit dem größten Migrationshintergrund in Deutschland. Deshalb kümmern wir uns täglich um das Thema Integration. Zum Beispiel gibt es einen Kindergarten in unserer Gemeinde, in dem natürlich auch muslimische Kinder sind.
Zuerst sollte die Gründung der JAfD ja in Offenbach stattfinden. Jetzt trifft sich die Partei am Sonntag in Wiesbaden. Wie finden Sie das?
Ich finde, dass wir uns die Stinktiere gut vom Hals gehalten haben. Wir haben gemeckert, es gab ein richtiges Aufbegehren unserer jüdischen Gemeinde. Denn wir wussten von Anfang an: Wir lassen aus Offenbach kein Chemnitz machen.
"Die Partei hat sich nie viel mit Israel beschäftigt."
Das sind deutliche Worte. Sprechen Sie mit der AfD auch im direkten Kontakt?
Nein. Gerne rede ich aber mit den Menschen, die in der JAfD aktiv werden wollen.
Auch darüber, warum sie sich durch die Politik der AfD repräsentiert fühlen könnten?
Natürlich. Ich muss allerdings sagen: Die AfD ist keine Partei, die sich mit Israel viel beschäftigt hat - außer vielleicht dem Narrativ, dass das Land Probleme mit Muslimen hat. Aber das ist auch alles. Nehmen wir zum Beispiel Ex-CDU-Politikerin Erika Steinbach. Noch vor ein paar Jahren hat sie uns erzählt, wie sehr sie sich für die Juden einsetzen will. Und nun sympathisiert Steinbach mit einer Partei, die Menschen vertreiben statt integrieren will. Bravo.
Herr Jacoby, vielen Dank für das Gespräch.