Großes Interesse an Führung durch die Synagoge in Gießen
Der DEG-Vorsitzende Lawrence de Donges-Amiss-Amiss bedankte sich für das Interesse und kündigte an, das Angebot zu wiederholen: "Wir mussten sogar Menschen aus Platzgründen absagen." Warum der Platz so beschränkt ist in den Räumen, erklärte Dow Aviv, der 1. Vorsitzende der jüdischen Gemeinde und auch, warum im Gießener Burggraben trotz der Zerstörung der Synagogen in der Reichspogromnacht 1938 ein jüdisches Gotteshaus steht.
Einen großen Anteil daran hatte Prof. Jakob Altaras, ein Radiologe, der aus Jugoslawien geflüchtet und am Universitätsklinikum tätig war. 1978 gründete er eine jüdische Gemeinde in Gießen, mit anfangs 26 Juden - es gab mehr, aber bereits damals wollten sich nicht alle öffentlich zu ihrem Glauben bekennen. Insbesondere seiner Frau Thea Altaras, einer Architektin, ist es zu verdanken, dass die Fachwerksynagoge aus dem Städtchen Wohra 1995 umgesetzt und in Gießen wiederaufgebaut wurde. Die Räumlichkeiten waren für die 60 bis 70 Mitglieder große Gemeinde als "Ort der Versammlung", so die deutsche Übersetzung gedacht. Durch die Auswanderungswelle von Juden aus Russland seit den 1990er Jahren ist die Zahl der Gemeindeglieder auf heute 370 Mitglieder angewachsen - und mit ihr die Herausforderungen.
Die Gelegenheit zu Fragen wurde rege von den Besuchern der DEG und dem Deutsch-Amerikanischen Klub "Die Brücke" genutzt. Alle männlichen Besucher hatten für den Aufenthalt in der Synagoge eine Kippa, die runde jüdische Kopfbedeckung, erhalten. "Warum tragen Juden in der Öffentlichkeit so selten ihre Kippa?", wollte eine Frau wissen. Die Angst vieler Juden in Zeiten von Anschlägen und Vandalismus sprach Aviv offen an und thematisierte auch den Unterricht der Kinder: sie würden in der Schule Ethik besuchen, um nicht als Juden erkannt zu werden, obwohl sie sich zugunsten von Religionsunterricht in der Synagoge eigentlich befreien lassen dürften. Auch die jüdischen Traditionen rund um den Schabbat wurden thematisiert, so das Verbot von Arbeit und die Trennung von Frauen und Männer im Gotteshaus beim wöchentlichen Gottesdienst.
Bei der Führung musste diese Trennung nicht eingehalten werden, das lebhafte Miteinander zeugte vom regen Interesse an der jüdischen Kultur und ihren Besonderheiten; auch so profane Dinge wie der Umgang mit einer alternden Gemeinde, der auch christliche Gemeinden betrifft, wurde thematisiert. Aviv: "Wir müssen unsere Mitglieder nicht nur in Deutschland integrieren, sondern immer mehr zu Hause besuchen, weil sie nicht mehr in die Synagoge kommen können."
Im Anschluss an die Führung berichtete Philipp van Slobbe in einem Lichtbilder-Vortrag über seine Erfahrungen und Eindrücke während seines Freiwilligen Sozialen Jahres im jüdischen Altersheim in Amsterdam.