06.01.2021

Offenbacher Rabbiner lobt Zivilcourage von Nachbarn

Offenbach

Zum wiederholten Male ist der Rabbiner der jüdischen Gemeinde Offenbach, Mendel Gurewitz, Opfer einer antisemitischen Attacke geworden. Doch statt über den neuerlichen Angriff verbittert zu sein, ist der Geistliche voll des Lobes für die Zivilcourage seiner Mitmenschen.

Es gibt Meldungen, die sich in mehr oder minder regelmäßigen Abständen wiederholen, ohne dass man sich daran gewöhnen kann. "Ein Mann soll in der Offenbacher Innenstadt einen Rabbi antisemitisch beleidigt haben", schreibt die Nachrichtenagentur dpa am Montag. Beileibe nicht der erste Vorfall dieser Art in Offenbach. Das Opfer: der Gemeinderabbiner Menachem Mendel Gurewitz - mal wieder.

Leicht als orthodoxer Jude zu erkennen

Was war passiert? Nach Schilderung der Polizei war der Rabbiner am Abend des 1. Januar gegen 18.15 Uhr in Begleitung seiner Kinder auf dem Nachhauseweg, als ein Mann ihm antisemitische Beleidigungen entgegenschrie. Gurewitz gehört der Gruppierung Chabad Lubawitsch an und ist schon allein durch seine Kleidung als orthodoxer Jude zu erkennen. Zeugen benachrichtigten die Polizei, die den 46 Jahre alten Tatverdächtigen kurz darauf festnehmen konnte.

Ein allzu vertrautes Muster. Bereits mehrfach war der Offenbacher Gemeinderabbiner Ziel antisemitischer Attacken. Für bundesweite Schlagzeilen sorgte 2013 ein Vorfall in einem Einkaufszentrum, bei dem Gurewitz von einer Gruppe Jugendlicher mit teils arabischem Hintergrund beschimpft und körperlich angegangen wurde. Sicherheitsmitarbeiter griffen zwar ein, allerdings nicht, um dem Rabbiner zu helfen. Stattdessen forderten sie ihn auf, Fotos, die er von den Angreifern gemacht hatte, zu löschen. Zwar entschuldigten sich die Jugendlichen später für ihr Verhalten, doch einer der Täter war 2018 erneut an einer verbalen Attacke auf den Rabbiner beteiligt.

Es wäre also nur zu verständlich, wenn Gurewitz mit Verbitterung auf die neuerliche Attacke reagieren würde. Stattdessen aber ist der Geistliche voll des Lobes für seine Nachbarn und seine Stadt.

Nachbarn griffen ein

Mit "Stolzer Offenbacher und stolz auf meine Nachbarn", hat Gurewitz seinen Facebook-Post überschrieben, in dem er den Vorfall und die Reaktion darauf schildert. Er und seine Familie seien gerade aus der Synagoge gekommen, als sehr laute und heftige Schreie und Verwünschungen eines Passanten auf sie eingeprasselt seien. "Die Art Hass ist schockierend, wo immer und wann immer sie in Erscheinung tritt. Doch in Deutschland im Jahr 2021 ist sie besonders traumatisierend", schreibt Gurewitz.

Jedoch seien ihm und seiner Familie binnen Sekunden Nachbarn zur Seite gesprungen. Leute hätten aus den Fenstern heraus den Angreifer angeschrien, die Polizei gerufen, einige hätten den Täter auf eigene Faust verfolgt. "Es war eine plötzliche Explosion von Liebe und Unterstützung, eine mutige und warme Umarmung von Nachbarn verschiedenster Herkunft und Ethnien, die gemeinsam handelten, um ihren Bruder zu verteidigen, den Rabbi." Er und seine Familie seien stolz, in Offenbach zu leben und mit solch großartigen Nachbarn gesegnet zu sein.

Antisemitismusbeauftragter lobt Zivilcourage

Anerkennung für das Einschreiten der Nachbarn gab es nicht nur vom Rabbiner selbst, sondern auch aus der Politik. "Die gezeigte Zivilcourage ist ein lobenswertes Beispiel, wie wir als Gesellschaft gemeinsam handeln müssen, wenn Jüdisches Leben in unserem Land bedroht wird", erklärte Uwe Becker (CDU), Beauftragter der Landesregierung für Jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, am Dienstag. Die Reaktion der Offenbacher Bürgerinnen und Bürger mache Mut.

Gleichzeitig äußerte sich Becker besorgt. Die Tat in Offenbach zeige, dass Jüdinnen und Juden ihren Glauben in der Öffentlichkeit nicht ohne Sorge um die eigene Unversehrtheit offen zeigen können. "Dies ist 76 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz ein schlimmes Zeugnis über den Zustand unserer Gesellschaft in unserem Land, wie insgesamt in Europa", so Becker.

Ermittlungen wegen Volksverhetzung

Den Täter erwähnt Gurewitz in seinem Facebook-Post mit keinem weiteren Wort. Die Offenbacher Polizei teilte derweil mit, dass es sich um einen Wohnsitzlosen handelt, der zum Tatzeitpunkt stark betrunken gewesen sei. Gegen ihn wird nun wegen Volksverhetzung, Beleidigung und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Symbole ermittelt.

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