Daniel Neumann: „Ein schmaler Grat“ zwischen Meinungsfreiheit und Antisemitismus
Propalästinensische Kundgebungen haben in den vergangenen Wochen und Monaten auch in Hessen die kommunalen Ordnungsbehörden beschäftigt. So hatte die Stadt Frankfurt eine Demonstration am 7. Oktober verboten. Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) und Ordnungsdezernentin Annette Rinn (FDP) begründeten dies damit, dass ein Jahr zuvor „der größte Massenmord an Juden seit der Schoah“ geschehen sei. Die Kundgebung ausgerechnet am Jahrestag des Hamas-Terrorangriffs anzumelden, sei „eine extreme Provokation, die wir zutiefst verurteilen“. Das Frankfurter Verwaltungsgericht hob das Verbot jedoch auf. Die Stadt verkenne die Bedeutung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit, lautete die Begründung.
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) bestätigte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts und wies eine entsprechende Beschwerde der Stadt zurück, so dass die Versammlung stattfinden konnte. Der für das Versammlungsrecht zuständige 8. Senat des VGH erläuterte seine Entscheidung vor allem dahingehend, ein Versammlungsverbot könne nicht damit begründet werden, dass es sich bei dem 7. Oktober um den Jahrestag des Angriffs der Hamas auf Israel handele. Ein Verbot komme „mit Blick auf den Symbolgehalt eines bestimmten Tages nach dem Hessischen Versammlungsfreiheitsgesetz lediglich bei einer Verknüpfung zur nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft in Betracht“. Die Stadt Frankfurt konnte nach Auffassung des VGH auch nicht hinreichend darlegen, dass es bei der Versammlung zu einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit kommen werde.
Kein Verbot einer propropalästinensischen Demonstration in Darmstadt
Die Stadt Darmstadt unterließ es hingegen, eine propalästinensische Demonstration und einen Schweigemarsch am vorigen Samstag, dem Gedenktag der Pogromnacht von 1938, zu verbieten. An der friedlichen Versammlung nahmen nach Angaben einer Polizeisprecherin rund 200 Menschen teil.
Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Darmstadt: „Klare Holocaust-Relativierung“
Daniel Neumann, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Darmstadt, kritisierte während einer Gedenkveranstaltung am Sonntag deutlich die Untätigkeit der Stadt. Auch weil auf einem Flugblatt von einem „Genozid in Gaza“ die Rede war. Ohne den zuständigen Ordnungsdezernenten Paul Georg Wandrey (CDU) oder den Darmstädter Oberbürgermeister Hanno Benz (SPD) namentlich zu nennen, sagte Neumann, es helfe ihm nicht, wenn zwar gesagt werde, man stehe an seiner Seite, aber dann nicht der Mut aufgebracht werde, die Demonstration zu verbieten, für die mit einer „klaren Holocaust-Relativierung“ geworben worden sei.
Er hätte erwartet, dass die städtischen Verantwortlichen „Haltung zeigen“ und juristische Konsequenzen auf sich nehmen. Neumann rief zugleich dazu auf, auf dem „schmalen Grat zwischen Meinungsfreiheit und purem antisemitischen Hass zu balancieren“, um das eine zuzulassen und das andere zu verhindern.
(Quelle: fr.de)