28.09.2018

Mit dem Sukkoth feiert die Jüdische Gemeinde Darmstadt Erntedank

Darmstadt

Über einhundert Gäste sind der Einladung der Jüdischen Gemeinde zum Laubhüttenfest in den Hof der Synagoge gefolgt. Sukkoth ist eine Art Erntedank und hält die Erinnerung an den Auszug aus Ägypten wach.

ukkoth ist ein fröhliches Fest. Sukkoth bezeichnet im Hebräischen eine „Laubhütte“, die gleich für mehreres steht. „Auf jeden Fall wird ausgelassen gefeiert“, berichtet der Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Darmstadt, Jehoshua Ahrens. Um die hundert Menschen sind der Einladung gefolgt, im Rahmen der jüdischen Kulturwoche etwas über die Geschichte und das Brauchtum des Festes zu erfahren. Treffpunkt ist die Laubhütte der Gemeinde, die jedes Jahr im Hof der Synagoge errichtet wird.

Trauben und Bananen hängen an der Decke

Ob alle Besucher in die Hütte passen? Sie passen hinein, dicht gedrängt, aber wie die Zuhörer erfahren, muss es so ähnlich gewesen sein, als in ganz frühen Zeiten in Jerusalem Sukkoth gefeiert wurde. Der jüdisch-römische Geschichtsschreiber Flavius Josephus, um das Jahr 37 in Jerusalem geboren, hat jedenfalls berichtet, dass Jerusalem seinerzeit aus allen Nähten platzte, weil sich alle Juden in der Heiligen Stadt versammelten – und es ging hoch her. „Ganz wie beim Oktoberfest mit Alkohol und Tanz“, so hoch, dass sich die Rabbiner damals genötigt sahen, wenigstens im Tempel für Ordnung zu sorgen: „So kam es zur Geschlechtertrennung bei den Gottesdiensten“.

Kenntnisreich und mit Humor erklärt Jehoshua Ahrens die historischen Zusammenhänge, die ganz irdischen Fundamente und die spirituellen Aspekte des Festes. Vieles wird den Gästen bereits beim Betrachten der ausgeschmückten Hütte deutlich: Von der Decke hängen Trauben, Bananen, Äpfel und Orangen in Netzen in Hülle und Fülle. Das Fest liegt Ende September, die Ernte ist eingefahren und die Bauern, das waren einmal 90 Prozent der Bevölkerung, konnten endlich durchatmen und Gott danken für die Erträge und für den kommenden Winter reichhaltig Regen erbitten.

Der Schmuck der Hütte wird ergänzt mit farbigen Tüchern, Fähnchen und Sonnenblumen, bunte Glühbirnen wurden befestigt, damit die Gemeindemitglieder auch am Abend zusammensitzen können. Noch heute wird gemeinsam gespeist, gesungen und getrunken – in Maßen im Vergleich zu früheren Zeiten, versichert Ahrens glaubwürdig, die Geschlechtertrennung ist in den orthodoxen Gemeinden beim Gottesdienst dagegen geblieben.

Was die Hütte besonders auszeichnet: ihr Dach. Wenngleich die Wände aus stabilem Holz sind, muss sich die Hütte zum Himmel öffnen, der mit Sonne, Mond und Sternen durch die Zweige mit inzwischen trockenem Laub hindurch scheint. Das erinnere die Menschen an ihre Verbindung zum Himmel und mit Gott, sagt Rabbiner Ahrens, und es soll daran erinnern, wie das jüdische Volk auszog aus Ägypten und die beschwerliche Flucht durch die Wüste antrat, in Hütten nächtigten, so wie es die Thora und das Alte Testament erzählen. Es weist auf die Zerbrechlichkeit des menschlichen Daseins hin und erinnert daran, dass Reichtum nicht entscheidend ist: Wir sind alle nur Gast auf dieser Erde.

Der Pflanzenstrauß (Lulaw), den Rabbiner Ahrens in der Hand hält, besteht aus vier Zweigen. Einem Dattelpalmblatt, Myrte, Bachweide und der Zitrusfrucht Etrog. Man muss ihn langsam in die vier Himmelsrichtungen und nach oben und unten schwenken, das Geräusch dabei erinnert an Regen und Wind. Die unterschiedlichen Eigenschaften der Zweige deuten an, dass die Menschen verschieden sind. Ob gelehrt, unbeugsam, gut oder schlecht: Man muss „im Bund“ füreinander einstehen und ausgleichend wirken – nur so konnte das Volk Israels überleben.

Viele Feste sind im jüdischen Glauben Familienfeste, „die Familie ist das Bollwerk unserer Religion“, Sukkoth ist aber nach wie vor ein in diesem Sinne ein Gemeinschaftsfest, es ist das dritte Wallfahrtsfest im jüdischen Kalender und dauert zwischen sieben und neun Tagen, da es sich nach dem Mondzyklus richtet.

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